Ausstellung von Werken Iva Milanovas in der Bulgarischen Botschaft

(Juni 2003)

Mein Gott ist dunkel
und wie ein Gewebe ...

In ihrem reichhaltigen Oeuvre schöpft die in Sofia geborene Künstlerin Iva Milanova aus der Tradition der Ikonenmalerei und überrascht durch eigenwillige Ansätze, östliche Sichtweisen in westliche Kultur zu transformieren. Jede künstlerische Arbeit trägt ein Teil der individuellen Persönlichkeit der Schaffenden. Der Begriff des Künstlers hat sich aus der griechischen Tradition von dem Wort techne, welches die handwerkliche Tätigkeit bezeichnet, herausgearbeitet. Der Ikonenmaler versteht sich nach wie vor als Handwerker und tritt zuliebe seiner Arbeit zurück. Ikonen werden aus diesem Grund nicht signiert.

Iva Milanova hat einige Arbeiten als Selbstporträts angelegt. Wenngleich in dem Dyptichon Idylle (80 x 90 cm + 80 x 90 cm) das Abbild der stolzen Landfahrerin nur mittelbar die äußere Erscheinung der Künstlerin widerspiegelt, identifiziert sich Iva Milanova mit der Äußeren einer willenstarken Fremden. "Eigentlich wollte ich eine schwarze Frau malen; es sollte ein Selbstporträt werden," so die Künstlerin über das Dyptichon. Die Anfänge der christlichen Urkirche der Kopten, welche in Bulgarien weit verbreitet ist, wurzeln in Ägypten. Der Name "Kopten" geht über das arabische "al Qipt" auf das griechische "Aigyptoi" zurück, ist daher gleichbedeutend mit "Ägypter". "Kopte" weist bereits auf den ägyptischen Christen hin. Das Bild Idylle zeigt ein Paar, welches gegenwärtig und bodenständig ist. Der Begriff der Landfahrerin steht hier ungewöhnlicherweise nicht im Widerspruch.

Anders bei der Arbeit, die als La Petite (40 x 50 cm) betitelt ist und ein Selbstporträt darstellt. Hier ist das Gesicht nur skizzenhaft. Die Augen in den verschiedenen Farben Weiß und Blau bilden die emotionale und die rationelle Ebene. Zerrissen, uneins aber entschlossen sich der Frage der Zeit ehrlich zu stellen. In einer weiteren Arbeit mit dem Titel Zukunft (90 x 80 cm) übernimmt die Künstlerin diese Farben der Augen. Blauweiß modelliert lässt sich der Blick erkennen. Irritiert gerät der Betrachter in denn Bann der Bilder. Dieser Mensch hat sich der Herausforderungen eines Alltags gestellt, der nicht mehr Strukturen aufweist, welche den Menschen als Mensch bestätigt. Stellen wir uns also der Herausforderung, wie es Iva Milanova bereits getan.

Die Künstlerin ging nach Berlin um an der Humboldt Universität Kunstgeschichte bei Prof. Bredekamp und klassische Archäologie bei Professor Rößler als zusätzliche Disziplin zu studieren. Schon in ihrer Jugend begann Iva Milanova bildnerisch zu arbeiten. Während ihrer universitären Ausbildung setzte sie sich auch praktisch mit dem Lehrstoff auseinander indem sie in der Manier bedeutender Künstler arbeitete. In dieser Hinsicht folgte sie dem Kanon orthodoxer Tradition, in der die Darstellung im Bild eine überlieferte Vorlage bedingt.

In ihrer Arbeit Die Erleuchtung (90 x 80 cm) übernimmt sie den Entwurf des Christos Pantokrator (der Allherrscher) aus der griechischen Ikonenmalerei des 14. Jhdts. Christos Pantokrator ist, in christlich-neuplatonischem Sinn Ausgangspunkt allen Lichtes und aller Energie. Während jedoch die antiken Vorlagen flächig gearbeitet sind entwickelt Iva Milanova durch den pastosen Farbauftrag eine Raumtiefe, die den Körper des Erleuchteten sinnlich wahrnehmbar erscheinen lässt. Durch den starren festen Blick wird dem Betrachter eine persönliche Nähe bewusst verwehrt, der gebührende Abstand bleibt gewahrt. Madonna (90 x 80 cm), nennt Iva Milanova das Bild der Mutter Gottes, welches wie das Bild des "Erleuchteten" in Öl auf Leinwand gearbeitet ist. Die orthodoxe Kirche unterscheidet deutlich zwischen der Anbetung (Latreia), die nur Gott zukommt und der Verehrung (Proskynesis), die der Ikone gebührt. Die Verehrung bezieht sich bei der Ikone der Gottesmutter letztendlich auf Gott selbst, weil sie an der Gnade Gottes teilhaben. Nach der orthodoxen Lehre verehrt der Gläubige die Ikone nicht wegen ihrer Natur, sondern weil sie Gefäße göttlicher Energien sind, und es Gott wichtig erschien, durch sie und in ihnen das Heil der Gläubigen zu erwirken. Iva Milanova scheint die "Madonna" in dieser Tradition gearbeitet zu haben. Durch die dargestellte Körperhaltung wirkt sie majestätisch, der Kopf ist leicht geneigt, devot und gnädig. In dieser Arbeit greift Iva Milanova auf eine Technik der Pointilisten zurück. Die Pinselstriche des Hintergrundes haben eine gleichbleibende dem Bildformat angepasste Größe. Durch die rythmische Anordnung und die Differenzierung der Farb- und Tonwerte in kleine Einheiten entsteht eine Raumtiefe. Die Größe und Setzung der goldgelben Pinselstriche erinnert an die Mosaiken byzantinischer Basiliken und entlässt die Madonna in entfernte Jahrhunderte.

Nicht von ungefähr erscheinen uns die Aquarelle mit Fischen. Wenngleich die Arbeiten Ohne Titel (73 x 85 cm) versehen sind erinnern sie an das Wunder der "Speisung der 5000" aus dem Markusevangelium.

Von hundert Wurzeln, welche schweigsam trinken,
nur, dass ich mich an seiner Wärme hebe ...

Lange war Iva Milanova stumm. Die Zeit in der sie die Kulturen wechselte war ihr die deutsche Sprache fremd, der Alltag fern von gelebter Wirklichkeit. In einigen Werken ist diese Distanz festgehalten. Traurig und teilnahmslos wirken die Porträtierten.

Das frische Blau im Hintergrund des Bildes Zweifel (100 x 80 cm) erinnert noch an die Farbe des Südens. Dandy (90 x 80 cm) ein weiteres Bild aus dem Zyklus verweist im Titel auf menschliche Unnahbarkeit. Der äußere Schein könnte trügen - dem geistigen Inhalt fehlen die Werte. Ähnlich das Bildnis der Frau Die Pariserin (90 x 80 cm). In den komplementär Farben rot-grün gehalten scheint sie abwesend und wartend in gefrorener Unendlichkeit. In dem Bild Erinnerung (90 x 80 cm) findet die Sprache zurück. In ihrer Manier folgen diese Werke den Arbeiten deutscher Expressionisten. Durch die kraftvoll gesetzten Gesichtsformen scheinbar spontan umreißenden Linien erhalten die Gemälde einen skizzenhaften Charakter. Die Augen als schwarze Sichel verschließen das Licht der Seele kontemplativ nach innen. Alter (80 x 70 cm) ist eine Arbeit, die durchaus im gleichen Zyklus gearbeitet sein könnte sich aber durch wesentliche Merkmale von den vorhergehenden abhebt. Auch hier hat die Künstlerin durch einfache geometrische Formen und einen kräftigen Duktus gestisch gearbeitet. Während in den vorhergehenden Arbeiten die Aufmerksamkeit des Betrachters auf einen Punkt außerhalb des Bildes gelenkt wird, halten vertikale Pinselstriche den Blick in der Bildmitte. Vielleicht sind es Kerzen deren Widerschein das Antlitz der Frau würdevoll beleuchten. Das Licht als Zeichen der Hoffnung verleiht dieser Arbeit zeitliche und räumliche Nähe, sowie Wärme und Geborgenheit.

In ihrer Erinnerung ist das ländliche Leben Bulgariens von großer Bedeutung. Trachten, die für den westlichen Betrachter allenfalls volkstümlichen Charakter haben verbindet Iva Milanova mit praktischer Feldarbeit. Sie übernimmt symbolisch die Früchte Birnen, Äpfel und Trauben und benennt diese Arbeiten Mädchen mit Birnen (80 x 60 cm), Zwischen den Äpfeln (100 x 80 cm) und Bulgarische Madonna (180 x 110 cm). Mit dem letzteren Titel gibt die Künstlerin etwas von ihrer Kultur preis was für viele Menschen des 21. Jahrhunderts an Bedeutung verloren hat. Die Stellung der Frau auch und besonders in ihrer bäuerlichen Tradition innerhalb der Familie. Die starke Bindung an Familienstrukturen die für ein Volk überlebenswichtig werden kann wird durch Iva Milanova durch bunte kräftige lebensfrohe Farben gespiegelt. Der Blick der Bäuerinnen ist stumm und in völliger Übereinstimmung mit dem Leben in tradierten Formen.

Die Hochzeit (90 x 80 cm) ist der Titel einer Arbeit in der durch die Farbgebung eine heitere Harmonie entsteht. Das Weis des Brautkleides überzeichnet die linke Bildhälfte, während der Bräutigam durch die Betonung der vertikaler Linien der Kragenleiste an Raumbedeutung gewinnt. Das Brautpaar feierlich gespannt in Erwartung des Segens zeigt sich bereit den Wellen und Wogen der Lebensstürme standzuhalten.

In einem weiteren bemerkenswerten Zyklus setzt sich die Künstlerin mit Menschen ihrer Heimat auseinander die stolz, schön und unnahbar erscheinen. Der Mann (100 x 90 cm) ist der Titel einer Arbeit in der die Künstlerin spielerisch technische Mittel aus der Ikonenmalerei einsetzt. Während sie bei dem Bild "Die Erleuchtung" bewusst mit der antiken Vorlage umgeht erscheint in dieser Arbeit die technische Umsetzung eher zufällig. Vergleichen wir die Gesichtszüge, die Form der Augen, den Blick der den Betrachter zu fixieren scheint ohne ihn zu treffen erkennen wir das Urbild des Pantokrators - des Allherrschers wieder. Die Form der Blume in seiner Knopfleiste erinnert an das Emblem einer Insignie. Die Farben seines Gewandes sind leicht abgewandelt. Das Blau des Mantels ist hier einem dunklen Violett gewichen. Im gelbroten einfachen Hemd die heiligen Farben seiner Allmacht. Die Laibung des Fensters symbolisch für die Strahlen des Heiligenscheins?
Frauen (80 x 80 cm) nennt Iva Milanova eine Arbeit, welche ein Bild aus der biblischen Geschichte darstellt. Drei Frauen hocken nebeneinander. Die Mittlere mit roter pastoser Farbe gemalt und kräftigen Linien gezeichnet hat zur Linken eine Gefährtin in blauer Farbe inkarniert. An der rechten Seite schmiegt sich die Dritte und weist durch abstrakte Formen und grün-rotem Farbenverlauf auf eine Ordnung hinter den Dingen. Das Markus Evangelium endet mit der Auffindung des leeren Grabes durch Frauen am Ostermorgen.

Mehr weiß ich nicht, weil alle meine Zweige
Tief unten ruhn' und nur im Winde winken
aus «Das Buch vom mönchischen Leben» (1899) Rainer Maria Rilke